Languages of Trauma. Body/Psyche, Historiography, Traumatology, Visual Media

Languages of Trauma. Body/Psyche, Historiography, Traumatology, Visual Media

Organisatoren
Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Kulturwissenschaft (PD Dr. Julia B. Köhne), in Kooperation mit der Grand Valley State University (Prof. Jason Crouthamel), dem College of Liberal Arts and Sciences und dem Brooks College of Interdisciplinary Studies
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
25.11.2016 - 26.11.2016
Url der Konferenzwebsite
Von
Annika Weinthal, Institut für Kulturwissenschaft, Humboldt-Universität zu Berlin

Die in transnationaler Zusammenarbeit von Julia B. Köhne und Jason Crouthamel konzipierte englischsprachige Konferenz setzte sich zum Ziel, multiple Ausdrucksweisen von „Trauma“ aus geisteswissenschaftlicher und künstlerischer Perspektive zu erkunden. Die hierzu eingeladenen Redner/innen präsentierten ein breites Spektrum an vielfältigen Thematiken und viefältigen Methoden aus den Fachbereichen Film-, Medien-, und Kulturwissenschaft sowie Medizin, Psychologie, Geschichte, Kunstgeschichte, Literatur, Kommunikations- und Politikwissenschaft. In ihren Vorträgen beleuchteten sie neben medizinischen, sozio-historischen und politischen Konzeptionen von individuellen und/oder kollektiven Traumata auch deren mediale Repräsentation sowie künstlerische Reflektionen zur Thematik traumatisierender Erfahrungen.

RAYA MORAG (Jerusalem) widmete sich in ihrem Keynote-Vortrag dem wissenschaftlich vorwiegend ausgegrenzten Thema des Täter-Traumas bzw. der zurückgewiesenen Figur des traumatisierten Täters. Am Übergang vom 20. ins 21. Jahrhundert machte sie einen Paradigmenwechsel fest, der mit einer veränderten Kriegsführung einhergehe und eine intensivere Beforschung von Täter-Traumata erfordere: So richteten sich Gewaltstrategien der „neuen Kriege“ seit der Jahrhundertwende vornehmlich gegen die Zivilbevölkerung, womit die Fronten – als grenzenlose unbestimmte Kriegszonen – ins Landesinnere, in den Lebensalltag der Menschen verlagert und durch umfassende unvorhersehbare Gewaltausübungen Traumatisierungen ganzer Bevölkerungsgruppen hervorgerufen würden. Diese neue Kriegsrealität verlange nach einer Modulation des Forschungsbereichs „Trauma“, weg vom bisherigen Fokus auf Opfer-Traumata, welche besonders anhand der großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts untersucht worden seien, hin zu Analysen von Täter-Traumata, welche die „neuen Kriege“, ihre Aggressoren und deren gesellschaftliche Verflechtungen in Augenschein nehmen. Morag stellte eine Konzeptualisierung von Täter-Trauma vor, die sie im direkten Vergleich mit dem Trauma von Opfern entwarf. Hierbei betonte sie als einen der wesentlichen Antagonismen das narzisstisch geprägte Ausagieren von Schuldgefühlen seitens traumatisierter Täter, welches in hartem Kontrast zur schmerzlich (verbalen) Sprachlosigkeit traumatisierter Opfer stehe. In ihrer anschließenden Gegenstandsanalyse von vier Filmausschnitten – zum einen künstlerisch-subversive israelische Arbeiten und zum anderen eine konventionell-unterhaltende US-amerikanische Produktion – grenzte Morag durch die Termini „Täter-Trauma“ und „Täter-Komplex“ die Filme inhaltlich voneinander ab. Sie verdeutlichte eine den Werken implizite ethisch-politische Dimension, was für die israelischen Arbeiten „Waltz with Bashir“ von Ari Folman (2008), „To See, if I’m Smiling“ von Tamar Yarom (2007) und „Z 32“ von Avi Mograbi (2008) gelte, und machte auf das Fehlen dieser Dimension in dem US-amerikanischen Kriegsfilm „Good Kill“ von Andrew Niccol (2014) aufmerksam, der auf einer zweifelhaften kollektiven Vermeidung von Verantwortung basiere und diese entsprechend inszeniere.

Im ersten Seminar der Tagung wurden mit der Kombination aus einer kulturwissenschaftlichen Analyse kinematografischer Trauma-Aufzeichnungen und einer historischen Nachzeichnung der Psychopathologiebegriffsgeschichte von „PTSD“ zwei heterogene Forschungsansätze in eine produktive Spannung gesetzt.

Zunächst untersuchte JULIA B. KÖHNE (Berlin) in ihrem Beitrag eine Filmaufnahme, die 1918 von dem Turiner Neurologen Camillo Negro angefertigt wurde und das dissoziative Ausagieren traumatisierender Kriegserfahrungen eines seiner männlichen Patienten zeigen soll. Unter Einbezug der Begriffe „Reenactment“, der (theatralen) Reinszenierung historischer Ereignisse und des „Acting-Out“, als impulsiv-spontanes Ausleben von verdrängten Gefühlen, arbeitete Köhne in einer umfassenden Bildbefragung die dem Film eingeschriebene „Ästhetisierung des Unbewussten“ heraus. In ihre Analyse nahm sie neben weiteren Filmdokumenten Negros andere im Rahmen europäischer Psychiatriegeschichte erstellte visuelle Patientengeschichten mit auf. Hieran sezierte sie unterschiedliche Trauma-Inszenierungsstrategien, die beispielsweise durch das Aufzeichnen traumagepeinigter, verletzter Körper die heroisierte Figur des „perfekten Soldaten“ konterkarieren, ein Heilungsnarrativ in Form eines Dreistufenmodells entwickeln 1 oder den männlichen „Kriegshysteriker“ als Gegenstück zum „hysterischen Frauenkörper“ konstruieren. In Bezug zum Negroschen Dissoziationsfilm verglich sie außerdem filmische Verfahrensweisen und die Motivik der visuellen Dokumente untereinander, wie z.B. die Verwendung von Schuss-Gegenschuss(-Montage), das „Spielelement“ der inszenierten kriegerischen Handlungen, den wiederholt auftretenden arc de cercle als traumasymptomatischen Körperkrampf. Köhne gelang es, breitgefächerte Deutungsanregungen des Films bzw. der Filme durch eine Zusammenführung unterschiedlicher Wissensbereiche vorzuführen. Sie formulierte darüber hinaus aber auch, in welcher Form sich das Material einer eindeutigen Analyse entziehe und lud das Publikum ein, den von ihr angelegten Fragenkatalog zu erweitern. Dies führte unter anderem zu einer näheren Befragung genderspezifischer Unterschiede in der Auswertung des historischen Filmmaterials.

ANNE FREESE (Berlin) eröffnete daraufhin mit ihrem Vortrag zur Historiografie von „PTSD“ (Posttraumatische Belastungsstörung) eine wissenschaftsgeschichtliche Perspektive auf das Phänomen Trauma. In einem ersten Schritt stellte sie die etymologische und ätiologische Entwicklungsgeschichte, den politisch-wissenschaftlichen Kontext sowie die in den Prozessen der Definitionssuche involvierten medizinhistorischen Protagonisten vor. Deren Studien, welche vornehmlich an Traumatisierungen von Vietnamkriegsveteranen orientiert waren, führten zur Erarbeitung und Ausformulierung eines Diagnoseleitfadens und im Jahr 1980 zu dessen Aufnahme in das psychiatrische Klassifikationssystem DSM-III (diagnostischer und statistischer Leitfaden psychischer Störungen). In einem zweiten Schritt beleuchtete Freese kritisch die Übertragbarkeit des Konzepts „PTSD“ auf historisch vorangegangene bzw. nachfolgende Traumadiskurse und -theoreme. Sie betonte die historische Singularität von „PTSD“ und merkte an, dass Traumadefinitionen keine Konstante darstellten und immer in Abhängigkeit zum jeweiligen Zeitkontext entstünden. Außerdem unterstrich Freese die Differenz zwischen der Dimension medizinischer Sprache zum einen und der traumaspezifischen Beschreibung historischer Ereignisse zum anderen.

In der Einleitung des zweiten Seminars plädierte PETER LEESE (Kopenhagen) für eine Dialogsuche zwischen wissenschaftlicher Forschung und künstlerischer Praxis. In Bezug auf den Traumadiskurs sei beiden Arbeitsbereichen eine Vielperspektivität gemein, die einerseits in interdisziplinären Untersuchungen und andererseits in multimedialen Werken ihren Ausdruck fänden. Im Anschluss wurde die von Leese eingeladene und vorgestellte Künstlerin MAJ HASAGER (Malmö) per Videoübertragung zugeschaltet.

Hasager bekräftigte zunächst den von Leese beschriebenen Ansatz und zog einen direkten Vergleich zwischen ihrem künstlerischen Schaffen und akademischen Forschungsweisen. In Langzeitprojekten realisiere sie Arbeiten, die in enger Verbindung zum jeweilig bereisten Ort, seiner Geschichte und den dort verankerten Menschen stehe. So auch in den von Hasager im Folgenden vorgestellten Videoarbeiten, die sich inhaltlich mit zwei polnischen Arbeiteraufständen beschäftigen, welche 1970 und 1981 von Danzig ausgehend Verbreitung im ganzen Land fanden und für eine verbesserte Lebenslage und das Recht auf freie Gewerkschaftsbildung ausgefochten wurden. Hasager arbeitet hier einerseits mit Archivfotografien und Off-Kommentar und inszeniert andererseits einen ‚runden Tisch‘, an dem polnische Frauen persönliche Erinnerungen an die Aufstände schildern. Der Film „Decembers – narrating history“ (2012) zeichnet sich durch eine poetische Kraft aus und verbindet die Aufstände von 1981 und 1970 über die subjektiven Schilderungen einer Frau aus dem Off. Leicht per Zoom und Abfahren animiert, treten in der Betrachtung der dokumentarischen Schwarzweißfotografien Details hervor, die in Kombination mit der Erzählung ein subjektives Bild und das innere Erleben der traumatisierenden und in ihrer Nachwirkung politisierenden Ereignisse transportieren. Im Kunstfilm „Decembers – a round table conversation“ (2012) stehen wiederum konkrete Frauen und deren Wahrnehmung im Mittelpunkt, womit Hasager den sonst männlich dominierten Diskurs um die Arbeiteraufstände aufbricht. In den Berichten der Frauen werden ihre Ängste, Handlungsweisen und traumatischen Wunden nachvollziehbar. In ihrer poetischen Verbindung aus dokumentarischen und künstlerisch-fiktionalisierenden Ansätzen gelingt es Hasager, in enger Zusammenarbeit mit ihren Protagonistinnen, die offizielle Geschichtsschreibung zu hinterfragen, den politischen Diskurs um die Erfahrung von Menschen aus deren Alltagsperspektive zu erweitern und Genderkonstellationen offenzulegen.

THOMAS ELSAESSER (Amsterdam) beleuchtete in seinem Keynote-Vortrag unterschiedliche Entwicklungsstufen der Traumatheorie und widmete sich darüber hinaus der Bedeutung von „Trauma“ im Hinblick auf medientheoretische Implikationen. Ähnlich wie Morag beschrieb Elsaesser einen Umbruch in der Forschung vom Opfer- zum Täterdiskurs, welcher durch die Ereignisse von „9/11“ markiert sei. Nach den Anschlägen sähen sich Wissenschaftler/innen mit der Tatsache einer „living memory“ konfrontiert, die nicht mehr durch die bisherigen Traumamarker Abwesenheit und Latenz zu erfassen sei. In einem Exkurs zu geisteswissenschaftlichen Traumadebatten vor „9/11“ betonte Elsaesser die Vielstimmigkeit von Übertragungsunternehmungen des psychoanalytischen Konzepts auf soziokulturelle Zusammenhänge und Symbolisierungsleistungen am Beispiel von und im Vergleich zwischen Cathy Caruth, Ruth Leys, Jeffrey C. Alexander, E. Ann Kaplan, Dominick LaCapra und Wulf Kantsteiner. Als mit der Moderne einhergehendes Phänomen stehe „Trauma“ der Medienentwicklung und -rezeption sehr nahe. Auf aktuellere Entwicklungen bezogen nähmen die Massenmedien Traumavorstellungen mit in ihre Narrative auf – was Elsaesser am Beispiel der Talkmasterin Oprah Winfrey verdeutlichte, die ihre Gäste nicht selten zunächst frage: „And what‘s your trauma?“. Außerdem sei der gegenwärtige Medienkonsum auf Rezipient/innenseite von einem traumaartigen Charakter bestimmt, da flutartige Bilderströme keinen Reflexionsgrund mehr böten. Weiterhin stellte Elsaesser Überlegungen zum Trauma als Verarbeitungsstrategie des wachsend technologisierten Umfelds an. Als theoretischen Anknüpfungspunkt schlug Elsaesser in diesem Kontext zudem Sigmund Freuds Figur der „Fehlleistung“ vor und öffnete damit einen Diskurs über eine Neubewertung von Traumakonzeptionen, bei dem – im Anschluss an LaCapra – insbesondere ein dialektisches Verständnis eines Heilungsprozesses hervorgehoben werden solle.

Die Referenten des dritten Seminars nahmen zum einen eine poetisch-literarische Verarbeitung von „Trauma“ in den Blick und untersuchten zum anderen (De-)Kontextualisierungsstrategien der Traumaforschung.

Zunächst beschäftigte sich STEVEN SCHOUTEN (Florenz) in seinem Beitrag mit der narrativen Bearbeitung kriegsbedingter Traumatisierung des Politikers und Schriftstellers Ernst Toller. Anhand von Auszügen aus dessen autobiografischen und lyrischen Schriften veranschaulichte Schouten tiefgreifende Schockerfahrungen, mit welchen Toller als kriegsfreiwilliger Offizier während des Ersten Weltkriegs konfrontiert wurde. Hierbei hob Schouten als besonders markant zwei Momente ethischer Erschütterung hervor, die er an einer durch überwältigende Gewaltszenarien der Kriegsrealität ersetzten und damit abrupt endenden Kriegseuphorie Tollers festmachte sowie in einem während der Kriegshandlungen um sich greifenden Entmenschlichungsprozess begründete.

ULRICH KOCH (Washington, D.C.) widmete sich im Anschluss der medizinisch-wissenschaftlichen Traumaforschung unter anderem am Beispiel von US-amerikanischen Laboruntersuchungen. Hierbei ging er der Frage nach, inwieweit Dekontextualisierungsformen in der Forschung – beispielsweise in historischen Untersuchungen an traumatisierten Tieren, welche vor dem Zweiten Weltkrieg durchgeführt wurden – ein praktisches, darüber hinaus aber auch allgemein theoretisches Problem darstellten. Das „Trauma“, in einer vom Entstehungs- und damit sozialen Kontext isolierten und abstrahierten Form, so Koch, erfülle wissenschaftliche Zwecke. Eine gänzliche Dekontextualisierung sei hierbei jedoch nie möglich, sodass sich stets Einschreibungs- und Narrationsspuren der traumatisierenden Umstände finden ließen. Zum Vortragsende schlug Koch vor, mittels künstlerischer Interventionen vermehrt eine Rekontextualisierung theoretisierter Formen von Traumatisierung zu ermöglichen.

Die Filmregisseurin und Filmwissenschaftlerin AGNIESZKA PIOTROWSKA (Bedfordshire) stellte im dritten Keynote-Vortrag ihren experimentell-surrealen Essayfilm „Lovers In Time or How We Didn’t Get Arrested in Harare“ (2015, zusammen mit Joe Njagu) vor. Dieser begleitet die Entstehung und Aufführung des kontroversiellen Theaterstücks „Lovers In Time“ von Blessing Hungwe, das in der simbabwischen Hauptstadt Harare entstand. Der historisch reflexive Film kreist um Fragen von Postkolonialismus, Rassismus, (Trans-)Gender und Identitätssuche angesichts in der Bevölkerung tief verankerter soziopolitischer Gewalt- und Traumaerfahrungen (Referenz: Exekution der nationalen Befreiungsfigur Mbuya Nehanda in 1896) und aus diesen resultierendem Schweigen. „Lovers In Time“ nimmt nicht zuletzt auch Piotrowskas subjektive Position in den Blick, indem er die Kamera auf sie selbst richtet: zum einen bezüglich ihrer Mehrfachrollen als doppelte Regisseurin, zum anderen als Teil des von Zensur und Festnahmen bedrohten hochpolitischen Theaterprojekts sowie der zunehmend emotionalisierten Theatergruppe, deren künstlerische Einheit durch gendertechnische, ethnische, nationale und nicht zuletzt monetäre Differenzen immer wieder auf dem Spiel zu stehen scheint.

Das die Tagung abschließende Seminar widmete sich einerseits postkolonialen Re-Konfigurationen von „Trauma“ am Beispiel westafrikanischer Literatur und andererseits visuellen und schriftlichen Aufzeichnungen von mental-somatischen Verwundungen aus dem militärisch-psychiatrischen Kontext, die durch Kriegstraumata ausgelöst wurden.

Zu Beginn stellte EVA SCHWARK (Berlin) anhand ihrer Lektüre des Buches „Sterile Sky“ des nordnigerianischen Schriftstellers E.E. Sule eine literarische Verarbeitung multipler Traumatisierung vor. Mittels ihrer Interpretation der gewaltgeprägten Lebensgeschichte des nigerianischen Jugendlichen Murtala ermöglichte Schwark eine Relektüre westlich geprägter Konzeptualisierungen von „Trauma“. Traumata, so zeigte sie mithilfe ihrer Denkfiguren des „violence silence“ und des „silence violence“ auf, basieren in vielen afrikanischen Lebensrealitäten auf keiner überbordenden Gewalteinwirkung in einer Ausnahmesituation, sondern stellen sich in Form von vielfältigen (besonders postkolonial bedingten) Bedrohungsformen als dauerhaft existenzgefährdender Alltag dar. Der in diesem Kontext entstandene und von Schwark analysierte poetologische Zugang in „Sterile Sky“ vermittelt einen den westlichen, auf individuelle Traumata ausgerichteten Konzeptualisierungen entgegengesetzten, integrativen Ansatz, welcher von kollektivem Traumaerleben ausgeht. In diesem würden beispielsweise durch Traumdeutungen Resilienzstrategien entworfen und schmerzlich-traumatische Wunden durch spirituelle Mittel gemindert.

Auf Basis von über 500 Patientenakten aus dem finnischen Ministerium für Psychiatrie, die während des Zweiten Weltkriegs angefertigt wurden, untersuchte der Historiker VILLE KIVIMÄKI (Tampere) anschließend den damaligen militärisch-psychiatrischen Umgang mit Kriegstraumatisierungen. Als auffällig stellte er hierbei die Ausklammerung von tatsächlicher Kriegserfahrung der Soldaten heraus, bei gleichzeitig gesteigertem Interesse an deren körperlichen Symptomatik. Diese wurde durch die Mediziner als „conversion disorders“ bezeichnet und nicht als Traumatisierungen (an-)erkannt. Am Beispiel einer historischen Medizinfilmaufnahme verdeutlichte er den schockierend kühlen und objektivierenden Medizinerblick und unterstrich die Bedeutsamkeit ethischer Fragestellungen in Zusammenhang mit Untersuchungen von menschlichem Leid. Den Leidensdruck der Soldaten veranschaulichte Kivimäki zudem, indem er erläuterte, dass sehr schmerzhafte Therapien der „Kriegsneurosen“, wie Elektrotherapie, von den Patienten auch freiwillig in Anspruch genommen wurden, um das unsichtbare seelische Leid durch körperliche Verwundung zu kompensieren, also ein fehlendes somatisches Stigma herbeizuführen.

Zusammenfassend kristallisierte sich aus den Vorträgen der Konferenz die Notwendigkeit heraus, das Phänomen Trauma trotz bereits zahlreich vorhandener Untersuchungen in seinen vielschichtigen Ausdrucksformen weiterhin näher zu erforschen. Die Tatsache, dass vermehrt neue Gewaltformen neue Traumatisierungsweisen hervorbringen, aber auch das Vorhandensein „alter“ (postkolonialer) Traumatisierungen, die aufgrund sozio-historischer bzw. -kultureller, politischer und ökonomischer Barrieren noch keine Heilung finden konnten, erfordert die anhaltende Suche nach innovativen Forschungsansätzen, wie sie hier von den Vortragenden vorgestellt wurden. In der interdisziplinären Vielstimmigkeit trat das „Trauma“ als komplexes wissenschaftliches Problem, aber auch Auslöser künstlerisch-poetologischer Auseinandersetzung hervor. Neben der Reflektion von medizinisch-politischen Konzeptionen wurde die ethische Dimension betont, die eine Arbeit zu Traumadiskursen immer mit sich führe und eine klare Positionierung seitens der Forscher/innen erfordere.

Am Ende der Konferenz zogen die Teilnehmenden ein überraschendes Resümee: Anstelle einer übereinstimmenden Zusammenführung der Ergebnisse sei – gerade in Untersuchungen des oftmals schwer greifbaren Forschungsgegenstands „Trauma“ – ein Scheitern, Hinterfragen und Reformulieren der eigenen und fachfremden Arbeitsweisen, Bewertungen und Vermittlungsstrategien nicht nur wahrscheinlich, sondern sogar erstrebenswert.

Konferenzübersicht:

Einführung in das Konferenzkonzept und die einzelnen Sektionen: Julia B. Köhne / Jason Crouthamel

Raya Morag (Jerusalem): „Perpetrator Trauma in Current World Cinema“

Seminar 1: „Audio-visualization of trauma and history of (psycho)traumatology“, Vortrag und Diskussion mit Julia B. Köhne (Berlin) und Anne Freese (Berlin)

Seminar 2: „Trauma aestheticization and imagery“, Diskussion mit Maj Hasager (Malmö) und Peter Leese (Kopenhagen), (Filmpräsentation: „Decembers – narrating history“ und Einzelszenen aus „Decembers – a round table conversation“ von Maj Hasager)

Thomas Elsaesser (Amsterdam): „Trauma and Media: A Question of Reference or Mode of Address?“

Seminar 3: „Speaking in different voices: Oral and written languages of trauma, and interdisciplinary histories of trauma conceptualizations“, Vortrag und Diskussion mit Steven Schouten (Florenz) und Ulrich Koch (Washington, D.C.)

Agnieszka Piotrowska (Bedfortshire): „(Postcolonial) Trauma, Transgression and Transference“

Filmpräsentation („Lovers in Time“ (2015) von Agnieszka Piotrowska) und Diskussion: eingeführt und geleitet durch Thomas Elsaesser

Seminar 4: „Silences and Corporealities of Trauma“, Vortrag und Diskussion mit Eva Schwark (Berlin) und Ville Kivimäki (Tampere)

Anmerkung:
1 Das Modell setzt sich aus folgenden drei Stufen zusammen: 1. Vorstellung eines symptombehafteten Körpers, 2. Behandlung dieses Körpers durch Mediziner, 3. Vorführung des angeblich geheilten, wieder funktionstüchtigen Körpers.